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Geometrie 1 > hyperbolische Raumgeraden
Der Satz von den drei Spiegelungen
für hyperbolische Raumgeraden
Der Satz von den drei Spiegelungen besagt für drei Gerade g, h, j in der euklidischen Ebene, dass die
Hintereinanderschaltung der Spiegelungen an g, h, j mit der Spiegelung an einer vierten Gerade
übereinstimmt unter der Bedingung, dass g, h, j einen gemeinsamen Punkt haben oder parallel sind, also
ein gemeinsames Lot haben. Eine analoger Satz gilt auch für Geraden im dreidimensionalen Raum, wenn
dafür eine geeignetes inneres Produkt definiert ist. Im euklidischen Raum kann jede Gerade mit Hilfe eines
Tripels dualer Zahlen beschrieben wird, wobei und für die
Indizes 1, 2, 3 reelle Zahlen sind und für die Dualzahl gilt: . (Siehe auch die Seite 'Euklidische
Raumgeraden > Höhen im 6-Rechteck'.) Mit defininiert man dann das
innere Produkt
.
Die Geraden zu den Tripeln s und u sind genau dann orthogonal, wenn ist, also sowohl
, als auch gilt. Die zweite
dieser Gleichungen bedeutet, dass sich die Geraden überhaupt schneiden, die erste, dass dies senkrecht
geschieht. Spiegelungen an Geraden sind bei dieser Definition der Orthogonalität 180°-Drehungen. Wie
in der Ebene gilt auch im euklidischen Raum, dass die Hintereinanderschaltung dreier Spiegelungen an
Geraden zu einem gemeinsamen Lot mit einer Spiegelung an einer vierten Gerade übereinstimmt. Dies
gilt allerdings nicht für Geraden mit einem gemeinsamen Punkt.
Wenn man die Dualzahl durch die imaginäre Einheit i mit ersetzt, erhält man aus s und u
Tripel komplexer Zahlen, die Geraden im hyperbolischen Raum beschreiben, wenn man auch in der
Definition des inneren Produkts die gleiche Ersetzung vornimmt. Statt
hat man dann die Gleichung , aber die zugehörige
zweite Gleichung reeller Zahlen ändert sich nicht. Mit dieser Definition der Orthogonalität stimmt
ebenfalls die Hintereinanderschaltung dreier Spiegelungen an Geraden zu einem gemeinsamen Lot mit
einer Spiegelung an einer vierten Gerade übereinstimmt. Anders als im euklidischen Raum gilt der
Drei-Spiegelungs-Satz aber auch, wenn sich die drei Geraden in einem Punkt der Oberfläche K der
Kugel um den Ursprung vom Radius 1 treffen. Dies soll in den folgenden Animationen dargestellt
werden, auch mit Hilfe der stereografischen Projektion von K auf die Ebene E, die K im Punkt
(1 ; 0 ; 0) berührt. Das Zentrum der Projektion ist dabei der Punkt N(-1 ; 0 ; 0).
Diese Animation zeigt den Drei-Spiegelungs-Satz für hyperbolische Geraden , und durch
den Kugelpunkt N(-1 ; 0 ; 0), der Zentrum der stereografischen Projektion in die Ebene E mit der
Gleichung x = 1 ist. Dazu zeigt das Start-Bild die Umriss-Zeichnung einer Ziege, deren Punkte in E
liegen. Das Koordinatensystem wird zunächst um 60° um die y-Achse gedreht, wobei der schwarze
Punkt N nach oben wandert und die Ziege gestaucht erscheint. Dann wird der Ziegen-Umriss mit
der inversen stereografischen Projektion auf K projiziert und die rote Strecke zwischen N und dem
Schnittpunkt von mit E angezeigt. Der weiß gefüllte Punkt M darauf ist der zweite Schnittpunkt von
und K (neben N).
Die Spiegelung an wird als 180°-Drehung um dargestellt. Das Spiegelungs-Bild der Ziege
ist also das Bild, das sich am Ende des Drehungs-Prozesses zeigt, wenn der Drehwinkel 180° erreicht
hat. Während des Drehungs-Prozesses zeichnet die Schwanz-Spitze der Ziege eine Spur in Form eines
Kreisbogens, sowohl für die Ziege auf K als auch für ihr stereografisches Bild auf E. (Diese Spuren
erscheinen auf Grund der Verzerrung durch die Parallel-Projektion als Ellipsen-Bögen.) Für die Ziege
in E ist der Kreisbogen ein euklidischer Halb-Kreis zum Mittelpunkt M. Die Bewegung der E-Ziege ist
eine euklidische Drehung. (Die scheinbar Verzerrung ist eine Folge der schrägen Sicht auf die Ebene
bei der Parallel-Projektion. Eine orthogonale Sicht findet man in den letzten 20 Bildern der Gleitschau
nach den Standbildern der Animation.) Die K-Ziege ist nie euklidisch kongruent zum Urbild, wohl aber
stets hyperbolisch kongruent. Die Spur der Schwanz-Spitze ist ein Kreisbogen in einer zu hyperbolisch
orthogonalen Ebene, deren Pol also auf liegt. Die Strecke zwischen den Endpunkten des Kreis-Bogens
trifft , aber nicht in der euklidischen Mitte.
Die nach durchgeführte Spiegelung an der grünen Geraden , die mit der x-Achse zusammenfällt,
führt zu einem Bild der E-Ziege, das euklidisch verschiebungs-kongruent zum Urbild ist. Der zugehörige
Verschiebungs-Vektor ist doppelt so lang und gleich gerichtet wie der Verbindungs-Vektor der Schnitt-
Punkte bzw. von bzw. mit E. Wenn man einem Punkt von E mit dem
Tripel die komplexe Zahl zuordnet, wird die Verschiebung dadurch bewirkt,
dass man zu allen diesen komplexen Zahlen addiert. Dies folgt auch aus der am Schluss der
vorangegangenen Seite ' Höhen im 6-Rechteck' aus dem Term für die komplexe Zahl .
Diese gehört zu dem Punkt, der sich bei der Spiegelung des zu gehörigen Punktes an der Geraden
ergibt. Denn bei Verkettung der Spiegelungen und ergibt sich .
Bei dieser Verkettung ist zu bedenken, dass und sich auf K treffen und es deshalb keine Gerade gibt,
die man als 'gemeinsame hyperbolische Achse' ansehen kann. Denn zwar sind alle Geraden h, die K in N
berühren, orthogonal zu beiden Geraden. Man kann zu ihnen aber keine sinnvolle Spiegelung definieren,
da das innere Produkt der Geraden-Tripel von h mit sich selbst Null ergibt.
Die Verkettung der Spiegelungen ergibt das gleiche Bild wie die Spiegelung der ursprüngliche
K-Ziege an der gelben Gerade . Man erkennt dies daran, dass die Verkettung der
Spiegelungen an allen vier Geraden wieder zum Ausgangs-Bild zurückführt, da die Verkettung einer
Spiegelung mit sich selbst die identische Abbildung ergibt. Die Schnittpunkte der vier Geraden mit E
bilden ein Parallelogramm. Die Verschiebung, die den roten Punkt auf in den grünen Punkt auf
überführt, stimmt also mit der Verschiebung überein, die den gelben Punkt auf in den blauen Punkt
auf abbildet. Dem entspricht die Gleichung .
Die Animation zeigt den Drei-Spiegelungs-Satz für hyperbolische Geraden, die orthogonal zur
x-Achse sind. Da diese das Geraden-Tripel x = (1 ; 0 ; 0) mit hat, existiert dazu
eine hyperbolische Spiegelung. Die x-(Koordinaten-)Achse ist darum gemeinsame hyperbolische
Achse der Geraden. In der ersten Phase wird die Anordnung der vier Geraden in einer
Ansicht schräg von oben dargestellt. Die farbigen Kreise liegen dabei in der Bildebene E der
stereografischen Projektion. Die anschließende Hintereinanderschaltung der Spiegelungen
an den vier Geraden wird zunächst nur in ihrer Wirkung auf das stereografische Bild gezeigt,
die Wirkung auf die K-Ziege sieht man in der folgenden Animation.
Jedes Spiegelungs-Bild ergibt sich wie in der vorhergehenden Animation als Endzustand einer
hyperbolischen 180°-Drehung. Anders als dort führt dies aber im stereografischen Bild nicht zu
einer euklidischen Drehung. Das Bild ist in jedem Zwischen-Zustand der hyperbolischen Drehung
die Verkettung einer euklidischen Spiegelung an einer Geraden und einer Spiegelung an einem
Kreis. Bei der Spiegelung an der roten Geraden wird dies dadurch verdeutlicht, dass das
gerahmte Bild der Ziege an der Geraden durch die roten Punkte euklidisch gespiegelt wurde.
Diese Punkte sind die stereografischen Bilder der Schnittpunkte von K und . Wenn die so
gespiegelte Ziege anschließend an dem veränderlichen Kreis durch die roten Punkte gespiegelt
wird, ergibt sich das stereografische Bild der K-Ziege. Dieser Kreis ist das stereografische
Bild des Kugel-Kreises, der sich als Schnittkreis von K mit einer Ebene durch ergibt. Die
Ebene bildet mit der Ebene durch und x-Achse einen Winkel, der halb so groß ist wie der
hyperbolische Drehwinkel. Die Spur der Schwanz-Spitze ist ein Kreisbogen, aber anders als
in der vorigen Animation kein Halbkreis. Er ist euklidisch orthogonal zu jedem Kreis durch die
roten Punkte, der den Bogen trifft. Dies gilt auch für die Spuren der andern Punkte des
Ziegen-Umrisses.
Das grüne stereografischen Bild der Ziege ergibt sich nach der Verkettung aus dem gerahmten
roten Ziegen-Bild durch eine euklidische Dreh-Streckung. Der Drehwinkel ist dabei doppelt so
groß wie der zwischen der roten und der grünen Strecke. Der Streckungs-Faktor f ist das Quadrat
des Quotienten aus den Radius des grünen und des roten Kreises. Wenn man jedem Punkt von E
mit dem Tipel die komplexe Zahl zuordnet, wird diese Dreh-Streckung
dadurch bewirkt, dass man alle diese komplexen Zahlen mit multipliziert.
Im Fall ist eine Verschiebung (im Raum) längs der x-Achse. Dann liegen , und
die x-Achse in der gleichen Ebene. Im Fall f = 1 ist eine Drehung (im Raum) um die x-Achse.
Dann liegen und in einer Ebene, die (hyperbolisch und euklidisch) orthogonal zur x-Achse ist.
Die Verkettung ist auch hier die identische Abbildung, so dass also und
gilt. Im stereografischen Bild ist der Winkel zwischen der roten Geraden zu und der
grünen Geraden zu so groß wie der zwischen der gelben Gerade zu und der blauen Geraden
zu . Der Quotient der Radien des grünen und des roten Kreises stimmt mit dem der Radien des
blauen und des gelben Kreises überein.
Die Animation zeigt die Verkettung von Spiegelungen der vorherigen Animation für die Ziege
auf der Kugel. Dabei wird eine 360°-Drehung der Ansicht nach der dritten Spiegelung
zwischengeschaltet. Die Spuren der Schwanz-Spitze sind auch hier Kreisbögen.
Rekonstruktion von Addition und Multiplikation im Koordinaten-Bereich durch Verkettungen
von Geraden-Spiegelungen nach Friedrich Bachmann
Durch die inverse stereografische Projektion kann man jedem von N verschiedenen Punkt auf K
eine komplexe Zahl zuordnen. Dann wird üblicherweise N das Symbol zugewiesen. Friedrich
Bachmann (1909-1982) hat ein Verfahren beschrieben, mit dem man die algebraischen Eigenschaften
eines Körpers wie dem der komplexen Zahlen aus den geometrischen Eigenschaften der von den
Geraden-Spiegelungen erzeugten Gruppe rekonstruieren kann. Die Punkte von K werden dabei aus
historischen Gründen 'Enden' genannt und die Rechnung mit Spiegelungen 'Enden-Rechnung'.
Jedem von N verschiedenen Punkt A in K ordnen wir im Folgenden zwei Geraden-Spiegelungen zu.
Die erste ist die Spiegelung a an der Geraden NA. Wir nennen sie N-Spiegelung zu A. Zur Definition
der zweiten Spiegelung benutzen wir den Punkt M auf K, dessen stereografisches Bild der komplexen
Zahl 1 entspricht, also die Koordinaten (1 ; 1 ; 0) hat. Die zweite A zugeordnete Spiegelung ist dann
die Spiegelung an der Geraden, die hyperbolisch orthogonal zur x-Achse und zur Geraden MA ist,
falls M ungleich A ist, andernfalls ist die Spiegelung am Lot von M auf die x-Achse. Wir nennen sie
Dach-Spiegelung zu A, weil wir dafür das Dach-Symbol benutzen. Der kleine lateinischen Buchstabe
der Spiegelung stellt den Bezug zum zugehörigen großen Buchstaben des Punktes her. Das Bild eines
Punktes A auf K bei einer Geraden-Spiegelung b bezeichnen wir mit .
Q sei der Punkt mit den Koordinaten (1 ; 0 ; 0) und q die hyperbolische Spiegelung an der x-Achse.
A und B seien von N verschiedene Punkte auf der Kugel-Fläche K. a und b seien die Spiegelungen
an den Verbindungs-Geraden von N und A bzw. B. Wie in der ersten Animation dargestellt wurde,
ist die Verkettung a q b eine Geraden-Spiegelung c. Wir definieren: A + B ist der Schnitt-Punkt C
ungleich N von K mit der Geraden zu c. Dann gilt das Assoziativ-Gesetz, weil es für die Verkettungen
von Spiegelungen gilt. Es gibt ein Null-Element, nämlich Q, da für alle Spiegelungen a gilt: a q q = a.
Es gibt zu A ein inverses Element, nämlich den Schnitt-Punkt der Geraden zur Spiegelung q a q, denn
a q q a q = a a q = q. Die Addition ist kommutativ, da a q b eine Spiegelung ist, folglich mit der inversen
Abbildung b q a übereinstimmt.
Zur Definition der Multiplikation benutzen wir nach der gleichen Idee statt der N-Spiegelungen die
Dach-Spiegelungen. Für alle Dachspiegelungen gilt , , und .
Es gibt nur eine Gerade zu einer Dach-Spiegelung, die mit ihren zugeordneten Punkt inzidiert, nämlich .
Wenn A und B Punkte auf K sind, die spiegelbildlich zur x-Achse liegen, dann sind die Geraden zu
und hyperbolisch (und euklidisch) orthogonal zueinander und zur x-Achse, und .
Wie in der zweiten und dritten Animation dargestellt wurde, ist die Verkettung eine Spiegelung .
Wir definieren: . Dann folgt aus den analogen Überlegungen wie bei der Addition, dass die
Multiplikation assoziativ und kommutativ ist, dass M ein Eins-Element ist und dass die Spiegelung
ist, die zu dem inversen Element zu A gehört.
Um das Distributiv-Gesetz nachzuweisen, benutzen wir die geometrische Bedeutung des Terms
, wobei a eine Geraden-Spiegelung ist und eine Hintereinanderschaltung von
Geraden-Spiegelungen. Für diese Potenz-Schreibweise gelten ähnliche Rechen-Regeln wie
bei den Potenzen von Zahlen. Wenn eine weitere Spiegelungs-Verkettung ist, dann ist . Außerdem gilt für eine
zweite Spiegelung b : .
ist die Spiegelung an der Geraden h, die das Bild der Geraden g zu a bei der Abbildung ist.
Denn .
Diese geometrische Deutung ermöglicht es, einen Zusammenhang zwischen und der Spiegelung a
herzustellen. Dennund . Folglich ist die Spiegelung
a an der Geraden durch N und A. Die Spiegelung an der Geraden durch N und ist folglich
.
Da Spiegelungen an orthogonalen Geraden vertauschbar sind, gilt für
alle Spiegelungen an Geraden, die orthogonal zur x-Achse sind. Damit errechnet man für die
Spiegelung an der Geraden durch N und : .
Dies ist auch die Spiegelung an der Geraden durch N und . Folglich gilt hier auch
das Distributiv-Gesetz.
Mit dieser Addition und Multiplikation können auch die Spiegelungen beschrieben werden. Sei
a die N-Spiegelung des Punkts A auf K. Zum beliebigen Punkt R ungleich N soll berechnet
werden. ist der Schnittpunkt ungleich N der Geraden zur N-Spiegelung mit K. Man
errechnet . Dies ist die N-Spiegelung zum
Punkt .
Zur Berechnung der Dach-Spiegelungen : .
Wegen ist die N-Spiegelung zu gleich . Dies ist die N-Spiegelung
zum Punkt . Folglich ist .
Alle anderen Spiegelungen können als Verkettungen von N-Spiegelungen und Dach-Spiegelungen
dargestellt werden. Sie ergeben sich als gebrochen lineare Transformationen der Form
mit A+D = Q. Die Verkettungen haben die gleiche Zuordnungs-Form, wobei
die Bedingung A+D = Q entfällt.
F.Bachmann hat mit dem Begriff der H-Gruppe ein Axiomen-System für eine von involutorischen
Elementen erzeugte Gruppe angegeben, auf Basis dessen man die vorangehenden Rechnungen
durchführen kann und so gezeigt, dass jede H-Gruppe isomorph zur Gruppe der gebrochen-linearen
Transformationen PGL2 über einen Körper der Charakteristik ungleich 2 ist (siehe F. Bachmann,
Aufbau der Geometrie aus dem Spiegelungsbegriff, Springer 1973). Die von den Geraden-Spiegelungen
des projektiv dreidimensionalen hyperbolischen reellen Raums erzeugt Gruppe ist eine H-Gruppe zum
Körper der komplexen Zahlen..
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